Wie Familien in Deutschland essen
Gemeinsame Familienmahlzeiten sind Kindern und Eltern auch heute noch wichtig, finden aber aus Zeitgründen häufig nur am Wochenende statt. Dazu begrenzt sich die Familienzeit auf den Esstisch, am Herd wird nur selten zusammen gekocht. Und um die Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen bei der Essensauswahl ist es nicht gut bestellt. Das sind zentrale Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage des Politik- und Sozialforschungsinstituts Forsa für die Studie „Essensrituale von Familien in Deutschland“ des Deutschen Kinderhilfswerkes. Von wegen „mit Mama und Papa essen ist out“. Auch heute ist Kindern und Jugendlichen das gemeinsame Essen mit der Familie noch wichtig. Vor allem schätzen junge Menschen an Mahlzeiten mit den Eltern die gemeinsam verbrachte Zeit (72 Prozent) und die Möglichkeit, im Alltag Dinge gemeinsam zu besprechen (67 Prozent). Vielen schmeckt es daheim und gemeinsam mit den Eltern auch einfach besser (47 Prozent). Das sehen auch die Erwachsenen so, ihre Zustimmungsraten fallen sogar noch höher (92 Prozent / 86 Prozent / 51 Prozent) aus.
Gemeinsame Mahlzeiten stärken nicht nur das Zusammengehörigkeits- und Zugehörigkeitsgefühl innerhalb der Familie, sondern intensivieren auch die jeweilige Bindung zwischen den einzelnen Familienmitgliedern. Auch Kinder finden die gemeinsamen Momente am Esstisch wichtig, in denen sie kulturelle Gewohnheiten und Regeln erlernen. Durch geregelte Essenszeiten und den beständigen Austausch innerhalb der Familie können die gemeinsamen Mahlzeiten Kindern und Jugendlichen als konstante Komponente im Alltag dienen. Im Alltag fehlt vielen jedoch unter der Woche die Zeit fürs gemeinsame Essen. Nur eine Minderheit der befragten Kinder und Jugendlichen in Deutschland isst unter der Woche gemeinsam mit der Familie zu Mittag. Während immerhin noch knapp zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen (64 Prozent) wochentags mit mindestens einem Familienmitglied frühstücken, sind es beim Mittagessen nicht mal mehr die Hälfte (45 Prozent). Gespeist wird stattdessen in der Schule oder im Hort. Viele lassen eine Mahlzeit, beispielsweise das Frühstück, auch einfach ausfallen (21 Prozent). Auch Eltern geben häufig an, dass ein gemeinsames Essen daran scheitert, dass sie nicht zur selben Zeit wie die Kinder zuhause sind (61 Prozent). So verlagert sich das gemeinsame Essen ins Wochenende. 94 Prozent der Befragten frühstücken an einem Tag des Wochenendes nicht allein. Rund 90 Prozent der Altersgruppe der 6- bis 9-Jährigen essen sogar am Wochenende beide Abende gemeinsam mit einem anderen Familienmitglied.
Während das gemeinsame Essen zumindest am Wochenende für viele noch ein festes Ritual ist, gehört die Essensvorbereitung nicht zu den gemeinsamen Familienaktivitäten. Nur jedes zehnte Kind (9 Prozent) in der Umfrage kocht gemeinsam mit seinen Eltern oder hilft beim Schälen oder Schneiden (13 Prozent). Mehr noch: Nur gut die Hälfte der Kinder und Jugendlichen (55 Prozent) dürfen so gut wie immer oder meistens im Vorfeld mitbestimmen, was gegessen wird. Zumindest 39 Prozent helfen beim Tischdecken, 46 Prozent beim Abräumen. Auch interessant: Kinder aus gut situierten Haushalten packen bei den Vorbereitungen zum Essen weniger mit an als Kinder aus Haushalten mit geringerem Einkommen.
Abendessen wichtigste gemeinsame Mahlzeit am Tag: Unter der Woche essen 90 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen an drei bis vier Tagen oder öfter gemeinsam mit ihrer Familie zu Abend, an Wochenenden sind es sogar 97 Prozent. Desto größer der Haushalt, desto wichtiger das gemeinsame Abendessen: 77 Prozent der Kinder in größeren Haushalten mit mehr als vier Personen essen werktags jeden Tag gemeinsam mit ihrer Familie zu Abend, bei kleineren Haushalten beträgt der Anteil nur 64 Prozent.
Um die Tischsitten ist es größtenteils ganz gut bestellt. 76 Prozent der Kinder und Jugendlichen geben an, dass erst gegessen wird, wenn alle am Tisch sitzen. Bei acht von zehn Kindern (80 Prozent) wird beim Essen darüber geredet, was alle am Tag so erlebt haben. Und 72 Prozent lassen sich Zeit beim Essen. Immerhin 60 Prozent bleiben am Tisch sitzen, bis jeder mit dem Essen fertig ist. Smartphone, Tablet und Co. sind bei Tisch nicht angesagt: Nur 14 Prozent der Kinder und Jugendlichen geben an, dass alle oder manche ihre Handys mit am Tisch haben, und bei nur 11 Prozent ist der Fernseher eingeschaltet.
Zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen aus den ostdeutschen Bundesländern (65 Prozent) essen unter Woche nicht gemeinsam mit ihren Familien zu Mittag. Bei den westdeutschen Kindern und Jugendlichen sind es dagegen nur knapp ein Drittel, die mittags nicht am heimischen Esstisch sitzen (28 Prozent). Dafür essen in Ostdeutschland deutlich mehr Kinder und Jugendliche (79 Prozent) in der Schule, im Hort oder im Kindergarten als im Westen (63 Prozent). Auch sind in den neuen Bundesländern zeitliche Rituale beim Essen wichtig: Ostdeutsche Familien (57 Prozent) essen an den Wochenenden häufiger zu festen Uhrzeiten als westdeutsche Familien (42 Prozent).
Sie essen gegenüber anderen Familien weniger zu festen Uhrzeiten (minus 7 Prozent werktags, minus 11 Prozent am Wochenende). Dazu spielen Smartphone und Co. beim Essen eine größere Rolle. Das Handy ist öfter auf dem Essenstisch (plus 6 Prozent) und der Fernseher öfter eingeschaltet (plus 5 Prozent). Für die Studie „Essensrituale von Familien in Deutschland“ wurden im Auftrag des Deutschen Kinderhilfswerkes mit Unterstützung der ALDI Nord Stiftungs GmbH vom Politik- und Sozialforschungsinstitut Forsa zwei Online-Befragungen durchgeführt: Insgesamt nahmen 1.015 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 14 Jahren sowie deren Erziehungsberechtigte (deutschsprachige Bevölkerung ab 25 Jahren) an der Studie teil. Die Erhebung wurde mithilfe des Online-Panels forsa.omninet durchgeführt. Inhaltliche Kernthemen der Befragungen stellten ernährungsbezogene Gewohnheiten und Abläufe innerhalb der Familie sowie deren Relevanz für die Befragten dar. Die Formulierungen der Fragen für die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen wurden dem Verständnis dieser Altersgruppe angepasst. Die Ergebnisse der Studie lassen sich mit einer Fehlertoleranz von +/- 3 Prozentpunkten auf die Gesamtheit der Eltern zwischen 25 und 65 Jahren bzw. der 6- bis 14-jährigen Kinder und Jugendlichen übertragen. |