Behandlungen von Schulkindern steigen um ein Drittel

Während der Pandemie sind Kinder in Brandenburg deutlich stärker psychisch belastet. So wurden 2020 rund ein Drittel mehr Mädchen und Jungen erstmals mit einer Depression ärztlich behandelt als im Vorjahr – besonders in der Altersspanne von zehn bis 14 Jahren. Das ist das Ergebnis des aktuellen Kinder- und Jugendreports der DAK-Gesundheit für Brandenburg. Gleichzeitig ging der Suchtmittelmissbrauch zurück: 2020 lagen die Behandlungen von Kindern und Jugendlichen mit Folgen von exzessivem Alkoholkonsum in der Mark rund 35 Prozent niedriger als im Vorjahr. Im Bund waren es 28 Prozent. Auch bei Tabak, Cannabis und weiteren Drogen zeigt sich ein Rückgang. Im Rahmen des Reports untersuchten Wissenschaftler von Vandage und der Universität Bielefeld anonymisierte Abrechnungsdaten von rund 40.000 Kindern und Jugendlichen im Alter bis 17 Jahren, die bei der DAK-Gesundheit in Brandenburg versichert sind. Analysiert wurden die Jahre 2019 und 2020. Der Report basiert damit auf Daten von 10,4 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Brandenburg und ist hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung repräsentativ.

 

Alarmsignal mit Handlungsbedarf

„Unser aktueller Landesreport zeigt eindrucksvoll, dass die Corona-Pandemie negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder und Jugendlichen in Brandenburg hat. Der Report ist ein Alarmsignal und offenbart einen dringenden Handlungsbedarf in vielen Facetten der Kinder- und Jugendgesundheit im Land“, so Anke Grubitz, Leiterin der Landesvertretung Brandenburg. „Wir begrüßen sehr, dass sich die Landespolitik unter anderem mit dem Beschluss des Landtages ´Kindeswohl im Blick behalten, Kindesgesundheit schützen´ mit einer Dringlichkeit dem Thema widmet.“

 

Kinderärzteverband besorgt über Entwicklung der Kindergesundheit

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte beobachtet die Entwicklung der Kindergesundheit mit Sorge und macht die Politik auf Auswirkungen der Corona-Pandemie aufmerksam. Detlef Reichel, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Vorsitzender des Landesverbandes der Brandenburger Kinder und Jugendärzte sagt: „Der vorliegende Report spiegelt sehr genau die Beobachtungen und gefühlten Wahrnehmungen von uns Kinder- und Jugendärztinnen und -ärzten zur Lage der Kinder und Jugendlichen und deren Familien in Brandenburg. Es besorgt uns sehr, in welchem Ausmaß und Umfang psychische und psychosomatische Störungen bei Kindern und Jugendlichen während der Pandemie zugenommen haben. Wir beobachten nun die psychosozialen Folgen der Pandemie: Anstieg der Angststörungen und depressiven Erkrankungen bis hin zu suizidalen Gedanken, Lernstörungen, innerfamiliäre Konflikte, Kinder und Jugendliche mit Gewichtszunahmen von 20 bis 30 kg infolge von Bewegungsarmut und falscher Ernährung. Viel Arbeit erwartet uns, die nur interdisziplinär und mit größtmöglicher Unterstützung seitens der politisch Verantwortlichen zu leisten sein wird.“

 

Insbesondere jüngere Kinder von Depressionen betroffen

Die Zahlen zeigen, dass die Corona-Pandemie vor allem jüngere Kinder in Brandenburg psychisch belastet. So stieg die Anzahl der Fünf- bis Neunjährigen, die erstmals mit einer Depression behandelt werden mussten, um 30 Prozent. Bei den Zehn- bis 14-Jährigen war es sogar ein Plus von 33 Prozent. Unverändert blieb hingegen die Neuerkrankungsquote bei Jugendlichen im Alter von 15 bis 17 Jahren. Mädchen wurden in dieser Altersgruppe in der Mark allerdings bis zu dreimal so häufig wegen einer Depression behandelt wie gleichaltrige Jungen. Im Bundesgebiet stiegen im späten Jugendalter die Fallzahlen um rund acht Prozent, sind aber bei den jüngeren Schulkindern rückläufig.

 

Weniger Suchtmittelmissbrauch in Brandenburg

2020 lagen die Behandlungen von Kindern und Jugendlichen in Folge exzessivem Alkoholkonsums über alle Altersgruppen rund 35 Prozent niedriger als im Vorjahr. Im Bund waren es 28 Prozent. Auch bei Tabak, Cannabis und weiteren Drogen zeigt sich ein Rückgang: Insgesamt wurden 20 Prozent weniger Kinder und Jugendliche in der Mark aufgrund von Suchtmittelmissbrauch behandelt – im Bundesdurchschnitt gingen die Zahlen um 18 Prozent zurück. Besonders stark ist die Abnahme von Behandlungen im Kontext Cannabis bei älteren Jugendlichen: So wurden in Brandenburg 2020 im Vergleich zum Vorjahr 26 Prozent weniger 15- bis 17-Jährige aufgrund von Cannabiskonsum ärztlich behandelt. Im Bund waren es 15 Prozent.

 

Adipositas: Doppelt so viele Behandlungen wie im Bund

Bei Adipositas-Erkrankungen liegt Brandenburg deutlich über dem Bundesschnitt. So war die Neuerkrankungsrate 2020 bei Kindern im Grundschulalter zwischen fünf und neun Jahren um 34 Prozent höher als im Vorjahr und mehr als doppelt so hoch wie im Bund (16 Prozent). Im Alter zwischen zehn und 14 Jahren gab es einen Anstieg um neun Prozent. Auffällig ist in dieser Altersgruppe, dass Jungen hier deutlich häufiger wegen starken Übergewichts in ärztlicher Behandlung waren als Mädchen (plus 29 Prozent).

 

Gefährlicher Trend: Weniger Vorsorgeuntersuchungen

Der Kinder- und Jugendreport zeigt darüber hinaus, dass Vorsorgeuntersuchungen in Brandenburg rückläufig sind. Die Anzahl der durchgeführten sogenannten U-Untersuchungen für Kinder (U3-U9) und Jugendliche (J1) insbesondere in eher ländlich geprägten Regionen Brandenburgs gehen zurück. So sanken die Vorsorgeuntersuchungen in Kommunen mit weniger als 20.000 Einwohnern um 2,8 Prozent. In größeren Städten und auf Bundesebene wurden im Jahresmittel konstante Fallzahlen beobachtet. „Vorsorgeuntersuchungen sind in der gesundheitlichen Entwicklung von Kindern wichtige Gradmesser“, sagt Anke Grubitz. „Es erfüllt uns mit Sorge, dass diese zuletzt weniger in Anspruch genommen wurden.“

 

Ein Drittel weniger Antibiotika-Verschreibungen

Im Pandemie-Jahr 2020 sank in Brandenburg der Anteil der Kinder und Jugendlichen, denen Antibiotika verschrieben wurde, um gut ein Drittel (minus 31 Prozent). Damit liegt Brandenburg annähernd auf Bundesniveau (33 Prozent). Insgesamt wurden 17 Prozent weniger Arzneimittel für brandenburgische Kinder und Jugendliche verordnet als noch im Jahr zuvor. Im Bund waren es 20 Prozent. Ein wichtiger Faktor hierbei ist die geringere Zahl an Infektionskrankheiten. Bei diesen meist durch Kontakt übertragende Erkrankungen wurden 2020 in Brandenburg die größten Fallzahlrückgänge beobachtet. So gingen beispielsweise Kehlkopfentzündungen um 46 Prozent, Magen-Darm-Infekte um 45 Prozent und Bindehautentzündungen um 39 Prozent zurück.

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