Von fast erledigt- zurück in den Bundestag
Gregor Gysi über den Erfolg der Linkspartei
Der Fürstenwalder Hof, der seit Jahren für den politischen Austausch nicht zur Verfügung stand, hat am Montag eine neue Zeitrechnung eingeläutet. Einen Tag nach der Bundestagswahl begrüßten Gäste, Freunde und Sympathisanten die Legende der Linkspartei, Gregor Gysi, in den Heiligen Hallen. Die Sympathie, die dem gestandenen Linkspolitiker entgegenschlug, füllte den Saal bis auf den letzten Platz. Wer keine Karte für diesen Abend hatte, hatte leider Pech – nicht alle, wohlgemerkt, denn es geschehen ja noch Wunder. Aber im April ist er in Storkow auf der Burg noch einmal zu sehen: „Auf ein Wort, Herr Gysi.“
Interviewpartner des Abends war Hans-Dieter Schütt, studierter Theaterwissenschaftler und einstiger Redakteur der Tageszeitungen Junge Welt und neues deutschland. Die Begrüßung war herzlich, und der überwiegende Teil der Gäste war natürlich höchst begeistert über den großen Erfolg der Linkspartei bei der Bundestagswahl – denn mit 8,77 Prozent so steil wieder eingezogen zu sein, grenzte schon an ein Wunder. Besonders wenn man bedenkt, dass sich das BSW abgespalten und die Linkspartei damit im Bundestag elementar geschwächt hatte – bis hin zu einer bloßen Gruppe.
Die Frage, die alle brennend interessierte, bevor das eigentliche Thema „Auf eine Currywurst mit Gregor Gysi“ zur Sprache kam, war natürlich: Wie hat es die Linkspartei geschafft, diesen Spagat von fast erledigt bis wieder rein in den Bundestag gemeistert?
Gregor Gysi hatte dafür natürlich eine Erklärung, die schlüssiger nicht hätte sein können. Dafür wird er eben auch sehr geschätzt – nicht nur wegen seiner Rhetorik, sondern auch für seine Ehrlichkeit in Kombination mit dieser. Man sei, so erzählte er, schon frühzeitig parteiintern in sich gegangen, habe alles analysiert, Fehler kritisch beleuchtet und eingestanden. Und dann einfach einen Plan mit allen auf die Beine gestellt. Dabei sei es wichtig gewesen, die Wähler für sich zu gewinnen – mit frischen Themen, die sonst nicht angesprochen werden, und mit einer konsequenten Fortführung wichtiger Debatten.
Die Mission „Silberlocken“ – Bodo Ramelow, Dietmar Bartsch und Gregor Gysi – war berufen, linke Politik hinauszutragen. Von den Medien kritisch bis humoristisch beäugt, aber wahrgenommen – und das habe auch geholfen, so Gysi, die Popularität weiter anzufeuern. „Bei den Alten waren wir auch und sind mit unseren Durchhalteparolen gut angekommen.“ Die Jugend jedoch habe, so war das Gefühl, eher gedacht: „Die alten Silberlocken – was wollt ihr denn noch?“ Doch die anfängliche Skepsis der Jugend schwand zusehends – mit den richtigen Themenstellungen. „Das hat schon einen Schub bis zu fünf Prozent gegeben“, schätzte Gysi am Montagabend ein.
Und eines müsse jedem klar sein: „Wenn es keine linken Argumente im Bundestag gibt, dann gibt es sie auch nicht in den Medien. Und wenn es sie nicht in den Medien gibt, dann gibt es sie auch nicht in der Gesellschaft.“ Darum sei es so wichtig, ein Teil des Bundestags zu sein, um linke Themen in der Gesellschaft weiter voranzubringen.
Dann kam die Rede unserer Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek, die voller Leidenschaft den Betrug der Christlichen Union zugunsten eines Gesetzes mit der Alternative für Deutschland anprangerte. Diese kämpferische Protestnote habe einen richtigen Schub gegeben.
Damit habe man viele Wähler für sich gewinnen können, weil man Haltung bewiesen habe und dazu stehe – mit klaren Worten, die jeder verstehe, und nicht mit umständlichen Begriffskonstruktionen wie beispielsweise: Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz (Gesetz zur Übertragung der Aufgaben für die Überwachung der Rinderkennzeichnung und Rindfleischetikettierung). Gibt es da nichts einfacheres damit man es gleich versteht. Und diese Ignoranz der Altparteien ist es eben auch was die Gesellschaft schwächt die Gleichgültigkeit gegenüber dem Bürger.
Im weiteren Verlauf des Abends gab es noch viel zu hören – über sein Leben, über Fußball und Ostdeutschland, über die Medien, Sinnlichkeit und Gott, über die Letzte Generation und die erste deutsche Kanzlerin. Gysi on Tour durchs Leben – wie es ist, wie es sein sollte und wie wir es verändern könnten. Und: Gysi im Gespräch – so offen und persönlich wie noch nie.