Langjähriger Vorstand Ralf Schenk verstorben
Der Filmjournalist und -publizist Ralf Schenk verstarb in der letzten Woche nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 66 Jahren. Ralf Schenk studierte von 1975 bis 1979 Journalistik an der Universität Leipzig. Bereits zu dieser Zeit hegte er eine große Begeisterung für das Kino, schrieb Filmkritiken und leitete den Jugendfilmklub des Leipziger Kinos Capitol. Nach Abschluss des Studiums war Ralf Schenk über Jahrzehnte als Redakteur für verschiedene Zeitschriften und Zeitungen tätig, darunter „Die Weltbühne“, „Film und Fernsehen“, „Filmspiegel“, „Filmdienst“ und die „Berliner Zeitung“. Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wirkte er an der Produktion mehrerer TV-Dokumentationen mit. Sein großes Interesse galt stets den filmischen Stimmen aus Osteuropa, insbesondere aus Polen und Ungarn, sowie den Produktionen der DEFA.
Nach 1990 leistete Ralf Schenk mit der Aufarbeitung der DEFA-Geschichte Pionierarbeit. Die von ihm mitherausgegebenen Werke „Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg“ zum DEFA-Spielfilm, „Schwarzweiß und Farbe“ über den DEFA-Dokumentarfilm sowie „Die Trick-Fabrik“ zum DEFA-Animationsfilm sind bis heute Standardwerke. Für das Filmmuseum Potsdam und die DEFA-Stiftung führte er zahlreiche Zeitzeugengespräche mit Filmschaffenden, die künftigen Generationen eine wichtige Quelle für die Erkundung und das Verstehen des DEFA-Filmbestands sein werden.
Von 2012 bis 2020 war Ralf Schenk als Vorstand der DEFA-Stiftung tätig. Früh erkannte er die Wichtigkeit einer hochwertigen Digitalisierung des Filmbestands, die essenziell für die heutige und künftige Auswertung der Filmwerke ist. Während seiner Amtszeit erschienen in der Schriftenreihe der DEFA-Stiftung unter anderem die von ihm mitherausgegebenen Bücher „Verbotene Utopie. Die SED, die DEFA und das 11. Plenum“ sowie „Sie. Regisseurinnen der DEFA und ihre Filme“, die große Leerstellen in der DEFA-Forschung schließen. Ein großes Anliegen war ihm das Nachspüren nach verbotenen und verschollenen DEFA-Produktionen. Die Rekonstruktion der Filme „Die Schönste“, „Hände hoch, oder ich schieße“, „Sommerwege“ und „Fräulein Schmetterling“ ist zu großen Teilen ein Verdienst von Ralf Schenk. 2011 wurde er von der Filmhochschule „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg zum Ehrendoktor ernannt. Für sein Wirken um das DEFA-Filmerbe erhielt er 2020 das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Ralf Schenks Fachwissen schien unergründlich. Er war Ratgeber für Filmschaffende und Forschende, Ansprechpartner für filminteressierte Medien und eng vernetzt mit vielen nationalen und internationalen Filmfestivals. Auf vielfältige Weise war er dort als Ideengeber, Jurymitglied, Moderator und Kurator gefragt. Von 2004 bis 2019 war Ralf Schenk Mitglied der Auswahlkommission für den Spielfilmwettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin.
Bis kurz vor seinem Tod ging Ralf Schenk seiner Leidenschaft nach und war filmpublizistisch tätig. Erst im Mai 2022 erschien das von ihm mitherausgegebene Buch „Publikumspiraten. Das Genrekino der DEFA und seine Regisseure (1946-90)“.
DEFA-Stiftungsvorstand Stefanie Eckert: „Wir trauern um unseren langjährigen Vorstand, unseren Kollegen, unseren Wegbegleiter, um einen herzensguten Freund. Sein Name wird immer eng mit der Geschichte der DEFA und der DEFA-Stiftung verbunden bleiben. Sein Humor, seine Neugierde und seine Begeisterungsfähigkeit werden uns fehlen. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie.“