Martine Müller-Lombard übernimmt Gedankenschmiede
Seit dem 4. Januar ist mit Martine Müller-Lombard die neue Burgschreiberin auf der Burg Beeskow eingezogen. Die gebürtige Dresdnerin, die von einer Jury aus gut 50 Bewerbern und Bewerberinnen ausgewählt wurde, lebt seit vielen Jahren in Frankreich. Von der Ausschreibung erfahren habe sie durch den Mitteldeutschen Verlag, der 2019 ihren Debütroman „Wir schenken uns nichts“ herausgebracht hat. „Es traf irgendwie einen Nerv bei mir“, sagt die 56-Jährige, deren Eltern aus der Lausitz stammen. „Mich zieht es unheimlich in diese Gebiete nördlich von Dresden …“
Nach ihrem Abitur studierte Martine Müller-Lombard zunächst Romanistik und Anglistik an der Humboldt-Universität Berlin, bevor sie die DDR 1986 Richtung Frankreich verließ. In Paris begann sie später, Germanistik und angewandte Fremdsprachen zu studieren und schloss an der Pariser Hochschule für Dolmetscher und Übersetzer ab. Um sich verstärkt dem Schreiben widmen zu können, hat die Mutter von drei Kindern 2013 ihre Arbeit als freie Übersetzerin ebenso etwas zurückgefahren wie ihre Tätigkeit beim Kultursender ARTE. Das Schreiben, sagt Martine Müller-Lombard, sei etwas, auf das man sich – egal, wo man sei – immer zurückbesinnen könne: „Alles, was man erlebt oder was einen auch ärgert, kann man als Stoff sehen. Man fühlt sich so ein bisschen wie ein Forscher, der unterwegs ist.“ Als Burgschreiberin in Beeskow – „es ist das erste Mal, dass ich so etwas mache“ – soll dafür nun endlich einmal ausreichend Zeit sein. Trotz der räumlichen Entfernung fühlt Martine Müller-Lombard sich dem Osten Deutschlands und damit der eigenen Vergangenheit noch immer verbunden, was sich auch in ihrer literarischen Arbeit widerspiegelt. In „Wir schenken uns nichts“ zum Beispiel erlebt und reflektiert die eigentlich mitten im Leben stehende Protagonistin die eigene Zerrissenheit und Entwurzelung. Dinge, die sie eigentlich gar nicht zu „ihren“ Themen habe machen wollen, sagt die Autorin. „Aber dann habe ich gemerkt, dass sich das von selbst hervordrängt, weil es dabei auch um andere, um universelle Fragen geht: Was verliert man, wenn man weggeht? Was gewinnt man? Wie kommt man zurück? In Beeskow will Martine Müller-Lombard zum einen erneut an ihren Kurzgeschichten arbeiten, fuhr die sich ein französischer Verlag aus dem Elsass interessiert. „Mein Hauptprojekt aber ist ein neuer Roman, für den ich gerade erste Szenen aufschreibe.“ Wann die Autorin ihre Antrittslesung in Beeskow halten kann, hängt momentan noch von der weiteren Entwicklung der Corona-Pandemie ab. Gern würde Martine Müller-Lombard auch Schreib- und Übersetzungsworkshops anbieten, zum Beispiel in einer Zusammenarbeit mit Schülern des Beeskower Rouanet-Gymnasiums. Bevor sie die Region Oder-Spree Ende Mai wieder verlässt, hat sie zudem noch ein ganz persönliches Vorhaben: „Dann will ich in allen Seen hier angebadet haben!“ |