Gemeinsame Kritik an Genehmigungsbescheid der Bundesnetzagentur
Die in Berlin sich konstituierte Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (WSB) wird sich unter anderem mit den Szenearien befassen, wann und wie die Braunkohleförderung im Lausitzer und Mitteldeutschen Revier enden wird.
Die Wirtschaftsminister von Brandenburg, dem Freistaat Sachsen und von Nordrhein-Westfalen, Albrecht Gerber, Martin Dulig und Prof. Dr. Andreas Pinkwart, erwarten bis zum Abschluss der Kommissionarbeit Klarheit darüber, wie der Strukturwandel in den betroffenen Regionen mit maßgeblicher Unterstützung des Bundes vollzogen werden kann. Vorentscheidungen, etwa durch den Genehmigungsbescheid der Bundesnetzagentur vom 15. Juni, lehnen die drei Wirtschafts- und Energieminister ab. Dies haben sie heute in einem gemeinsamen Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier klar gestellt, dem die Bundesnetzagentur unterstellt ist.
„Die nun in der Genehmigungsentscheidung vorgenommene gravierende Änderung infolge der Einfügung eines neuen Kohleausstiegsszenarios zum Zieljahr 2025 und dessen kurzfristige Veröffentlichung vor der Auftaktsitzung der WSB-Kommission wirkt auf uns politisch intendiert“, schreiben die drei Minister in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Altmaier. „Hier werden der fachlichen Ermittlung des erforderlichen Netzausbaus zahlreiche unrealistische Annahmen vorgegeben, die sich besonders negativ auf unsere Länder mit einer jederzeit sicher planbaren Grundlaststromerzeugung aus importunabhängigen Quellen und der adäquaten Netzinfrastruktur auswirken würden und zudem geeignet sind die Diskussionslage in der Kommission zu unseren Lasten zu verschieben.“
Von der Arbeit der Kohlekommission erwarten die Minister Vorschläge, wie der Ausstieg aus der Braunkohle nicht nur planbar, sondern auch ohne erneute Strukturabbrüche in der Lausitz erfolgen kann.
Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber: „Hauptaufgabe ist es, die Lausitz als Industrieregion mit gut bezahlter Arbeit weiter zu entwickeln und zu stärken. Deswegen ist es sinnvoll und richtig, die Menschen aus den Revieren und Partner wie Gewerkschaften und Verbände von vorn herein am Prozess zu beteiligen, wie es mit der Kommission eigentlich geplant ist. Dabei müssen zuerst Aspekte wie Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit, Energiekosten für Wirtschaft und Verbraucher und regionalwirtschaftliche Folgen für die Menschen vor Ort diskutiert werden. Vorfestlegungen zu einem Ausstiegsdatum darf es nicht geben.“
Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig: „Den Menschen in der Lausitz zu sagen, sie sollen sich auf einen Braunkohleausstieg vorbereiten, ist höhnisch. Sie leben in einer Region, welche sich seit 1990 in einem permanenten Strukturwandel befindet. Sie haben Massenarbeitslosigkeit bereits erfahren müssen, als nach der friedlichen Revolution die Braunkohleindustrie der DDR kollabierte. Heute haben wir im Revier die modernsten Kraftwerke, welche deutlich zur CO2-Reduzierung beigetragen haben. Ich erwarte daher, dass in der Kommission verantwortungsvoll verhandelt und diskutiert wird und es einen vorausschauenden und strukturiert Ausstiegsplan geben wird, der nicht erneut Deindustriealisierung und Arbeitslosigkeit bedeutet. Der Ausstieg aus der Steinkohle im Ruhrgebiet, wo sich der Bund mit Milliarden Euro unterstützend beteiligte, kann ein Vorbild sein.
Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: „Die Bundesnetzagentur weist mit dem jetzt kurzfristig vorgelegten und von ihrem aktuellen Netzentwicklungsplan erheblich abweichenden Ausstiegsszenario 2025 bis 2030 für uns überraschend in die völlig falsche Richtung: Selbst wenn hier nur ein – aus meiner Sicht deplatzierter – Diskussionsbeitrag geliefert werden sollte, müssen diese Fragen durch die WSB-Kommission und nicht durch Dritte beantwortet werden. In unseren von der Braunkohleförderung und Verstromung geprägten Regionen spielt die energieintensive Industrie eine besondere Rolle. Uns fehlt die seriöse Auseinandersetzung mit der Versorgungssicherheit ebenso wie der realistische Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Energiepreise. Verfahrensdauern für die Planung, Genehmigung und Realisierung neuer Energieanlagen bleiben in dem Szenario der BNA offenbar unberücksichtigt. Wir in Nordrhein-Westfalen brauchen eine gut funktionierende, zukunfts- und wettbewerbsfähige Energieversorgung, um Industrieland mit hoher Wertschöpfung und Beschäftigung bleiben zu können. All das lässt sich mit einem überstürzten Verzicht auf gesicherte Leistung aus konventioneller Energie nicht vereinbaren.“