Von wegen Frankfurter Rookies! Wer auch immer die Pforten des Briesener Waldstadions passiert, bekommt den Blau-Weißen Genpool sofort injiziert. Ob der Spieler, Trainer oder Fan nun aus Frankfurt, Fürstenwalde oder von der Ostseeküste kommt, spielt hier keine Rolle. Nicht umsonst spricht man im „gallischen Dorf‟ vom blau-weißen Blut. Doch was heißt das eigentlich? Nun denkt man sich: „Was soll denn da noch kommen? Irgendwann müssen denen die Superlative doch mal ausgehen.‟ – Abwarten!
2009/10 – die Jubiläumssaison zum 20-jährigen Bestehen des FV Blau-Weiß 90 Briesen – damit beginnen die 2010er Jahre erstmal. Was könnte da denn besser passen, als die gesamte Spielzeit in der Landesliga ungeschlagen zu bleiben? Richtig, es gibt nichts Besseres. Ein überraschend starker fünfter Platz mit insgesamt 46 Punkten stand im Endresultat zu Buche. Das Waldstadion war wie die Wartburg, eine uneinnehmbare Festung. Das gleiche galt schon seit Jahren für den Briesener Kasten. Reno Ballhorn stand als Torwart in zwei Jahrtausenden seinen Mann, doch um eine Legende zu werden, muss man seine Karriere auch irgendwann mal beenden. Was für ein Zufall, dass ausgerechnet Denis Bramburger, langjähriger Freund und härtester Rivale, die Torhüter-Position beerbt. Wenn jemand als fußballverrückt gilt, dann wohl „Brami‟. Seit 2018 hat er nun in jedem Jahr für alle vier Männermannschaften der Blau-Weißen mindestens einmal im Tor gestanden. Ob in der Ersten, Zweiten oder den beiden Altherren-Teams – er kennt sie alle und ganz nebenbei wirft er auch weiter, als er schießen kann. Unter Trainer Heiko Hempel (2011-2014) bestätigen die Briesener ihre Platzierungen im oberen Mittelfeld, bis die Saison 14/15 zu einer neuen Nervenschlacht wurde. Bis zum Winter sammelten die Odervorländer aber nur 13 Punkte und befanden sich damit in akuter Abstiegsnot. Kapitän und Spielertrainer „Kleini‟ stampfte aus dem Nichts seinen alten Teamkollegen Daniel Wichary aus dem Boden, der einzig und allein ein Ziel verfolgte – den Klassenerhalt, der den Blau-Weißen schlussendlich auch gelang. Nachdem diese Zitter-Saison in einem versöhnlichen Ende mündete, wartete der nächste Schock nur ein paar Wochen darauf. Gleich sieben Stammspieler verließen den Verein und hinterließen eine tiefe Wunde im Kader. Mal wieder zeichnen sich der Briesener Wille und Zusammenhalt ab und es wird rangeklotzt, anstatt zu meckern. So zauberte man ein paar echte Überraschungen aus dem Hut. Außerdem fanden drei Jungspunde wieder den Weg zurück in die Heimat. Noch heute träumen sie von den halbgefrorenen Bockwürsten, wegen denen sie fast ein Spiel verpassten. Dem Ganzen die Krone setzte aber der Sportskamerad Freitag auf, der in jedem Spiel mit offenen Schnürsenkeln die Gegner schwindelig spielte und in Burg seine Sporttasche im Auto eingeschlossen hatte. In ihm fand man immer wieder seinen Lehrmeister für die ausgefallensten Ereignisse. Im Gegensatz dazu fahren manche aber auch aus Chemnitz und Prag direkt zum Auswärtsspiel und müssen dabei aus dem Zug hüpfen, über Zäune klettern und trotzdem eine Stunde auf die verspätete Mannschaft warten. Spektakel wurde aber auch auf dem Feld geboten. Denkwürdig sind dabei nicht nur diverse Auswärtsabreibungen, sondern auch eine unfassbare Serie aus zwei aufeinanderfolgenden Spielen mit jeweils zwei Platzverweisen. Man munkelt, so manche rote Karte schmückt heute noch den Sitzplatz eines Briesener Urgesteins in der Kabine – mitsamt Unterschrift des Schiedsrichters. Aber keine Sorge, es gibt auch sportliche Erfolge zu verzeichnen. Eine Serie will man unbedingt weiter ausbauen. Seit nunmehr über sechs Jahren sind die Blau-Weißen ungeschlagen im Derby gegen Union Fürstenwalde II. Doch auch die Zweite Mannschaft hat sich über die Jahre immer weiterentwickelt. Nach anfänglichen Mittelfeldplätzen ist das Team, seit Jahren trainiert von Torsten Heese, immer wieder im Aufstiegsrennen der Kreisliga dabei. Derweil jagen die glorreichen Aufstiegshelden von ’98, besser bekannt als „Die Hornhechte‟ (angelehnt an ihren Coach Detlef Horn), noch heute alle Rekorde. 2014 holten sie nach unzähligen Titeln im Altherren-Bereich dann auch die Landesmeisterschaft und qualifizierten sich somit für die inoffizielle Deutsche Meisterschaft der AK in Oyten. Im Vordergrund stand dabei die Blau-Weiße Party, die man ihnen nach zwei Jahrzehnten Fußball im blau-weißen Dress nicht verübeln kann. Wer kann als Spieler eines 2000-Seelendorfes schon von sich sagen, den großen FC Bayern im Turnier hinter sich gelassen zu haben? Doch dabei betonen sie immer wieder: „Jeder hat mal klein angefangen‟. Eine der vielen Jugendmannschaften brachte einen skandalös starken Jahrgang hervor. Was für talentierte Knaben unter Trainer Michael Pohl heranreifen, ahnte damals noch keiner. Die damalige E-Jugend holte sich sogar Hallen-Landesmeistertitel und ließ die Nachwuchsmannschaft des früheren Bundesligisten von Energie Cottbus ganz schön alt aussehen. Das Team jagte einen Titel nach dem anderen und erntete dafür breiten Applaus. Die gesamte Mannschaft schlug bis auf ein paar Ausnahmen den Sportschulweg ein. Nun ist es bald an der Zeit, dass diese Talente in den Herrenbereich kommen, vielleicht findet der ein oder andere Kicker ja wieder den Weg nach Hause. 2019 kommt noch der krönende Abschluss eines ereignisreichen Jahrzehnts mit dem Kreis-Pokalsieg der Zweiten Mannschaft, bei deren Pokalspielen quasi das ganze Dorf im Bus inklusive war. Bodenständigkeit, Spektakel und verrückte Typen – das alles zeichnet diesen Verein bis heute aus. 100 Jahre Fußball in Briesen und das 30-jährige Jubiläum des FV Blau-Weiß 90 Briesen das bedeutet Tradition, Leidenschaft und Herzblut. Jeder hat es selbst in der Hand, ein Stück blau-weiße Geschichte zu schreiben. „Ein Raunen geht durch Wald und Wiesen, denn hier spielt der FV Blau-Weiß 90 Briesen. Es toben Oma, Opa, die ganze Verwandtschaft, alle singen und klatschen für die Mannschaft‟. Danilo Ballhorn |