Aus BSG Traktor Briesen wird „BSG Agrochemie Briesen‟
Bewegte Jahre stehen der BSG Traktor Briesen bevor. Nach den titelreichen Höhenflügen erkennt man im Odervorland, dass sportlicher Erfolg kein Selbstläufer ist und man für ihn hart arbeiten muss. Aufbruchsstimmung, Jugendarbeit und Zusammenhalt prägen das Bild der 70er Jahre. Nachdem man in der Kreisklasse wieder fast ganz unten anfängt, schreibt man wenig später eine in Briesen noch nie gekannte Erfolgsgeschichte, die in eine mittelgroße Katastrophe mündet.
Mit einem Eröffnungsturnier im heimischen Waldstadion startete man in die Spielzeit 1970/71 in der ersten Kreisklasse. Das Teilnehmerfeld aus BSG Lok Frankfurt, SG Dynamo Eisenhüttenstadt und ASG Vorwärts Schmachtenhagen wurde von der zusammengewürfelten Truppe beider Männermannschaften der Gastgeber komplettiert. Im Ligabetrieb kam es nun wieder zum vereinsinternen Kräftemessen der ersten und zweiten Mannschaft, das mit einem 15:1 im Hinspiel ein echtes Torspektakel wurde. Zum 25-jährigen Jubiläums der BSG am Pfingstsonntag 1971 fand ein weiteres Turnier statt, bei dem die Briesener ihre kürzlich errungene Kreismeisterschaft und den damit verbundenen direkten Wiederaufstieg feierten. Nach dem Pfingstfest veranstaltete das Lokal Schubert dann im Dorf den alljährlichen Sportlerball.
Einen schweren Schlag erlitt die BSG Traktor Briesen, als mit Rudi Grunow im darauffolgenden Jahr ein langjähriges Mitglied starb. Der Vereinsvorsitzende Erwin Fröhlich wurde 1973 dann von Rudi Steinkraus beerbt, der diesen Posten bis in die späten 70er besetzen sollte. Frischen Wind in all dieser bewegten Zeit fand die Sportgemeinschaft bei den Jungspunden der BSG.
Aus finanziellen Engpässen wurde die Juniorenabteilung in den 60ern zwar ausgegliedert, aber weiterhin vom Verein gefördert. Als SSG Briesen spielten die Junioren unter dem Namen der örtlichen Schule in der Kreisklasse. Das Engagement des Vereins sollte schon bald seine Früchte tragen. Überraschenderweise qualifizierte sich die Mannschaft der Odervorländer im Sommer ’72 für die Aufstiegsrunde der Junioren-Bezirksklasse. Dort sollten die Jungs ursprünglich auf die Kreismeister der SG Wiesenau und Gorgast treffen, doch leider konnte die Juniorenmannschaft nicht anreisen und musste gezwungenermaßen die Chance des möglichen Aufstiegs verstreichen lassen.
1974 sollte sich die erste Mannschaft ein Beispiel an der hungrigen Jugend nehmen und feierte den erneuten Aufstieg in die Bezirksklasse. Nun sollten Kampfgeist und sportliche Konstanz für beeindruckende Leistungen sorgen. Eine eingeschworene Truppe rund um den starken Defensivverbund von „Hansi‟ Schübler, Bernd Tepper und Reinhard Ballhorn verhalfen in den folgenden drei Saisons der BSG zu den Plätzen sechs, acht und zwölf im 15-köpfigen Starterfeld. Vorne stürmten die Briesener, angeführt von Jürgen Noske, Wolfgang, alias Sunni, Freudenberg und Hans-Jürgen Meidel, schnell und kombinationsfreudig die Strafräume der Gegner.
Als im Jahre 1975 der größte Betrieb im Dorf, das „Agrochemie-Zentrum‟, die Trägerschaft des Vereins übernahm, wurde 1976 aus der BSG Traktor Briesen die „BSG Agrochemie Briesen‟ (BSG ACZ). 1977 zählte der gesamte Sportverein etwa 190 Mitglieder, die sich auf die fünf Sport-Sektionen aufteilten. Neben Volleyball, Reiten, Schach und der Frauen-Gymnastik wies die Fußballabteilung die meisten aktiven Sportler auf. Im Sommer des gleichen Jahres schickte sich die Agrochemie mal wieder an, den Pokaltitel „Goldener Traktor‟ nach Briesen zu holen. Im Pokalfinale traf man in einer umkämpften Partie auf Groß Lindow. Nach Teppers verschossenen Elfmeter, gelang dem favorisierten Bezirksmeister das Führungstor, das bis zum Schlusspfiff anhalten sollte.
Nach dieser bitteren Niederlage war die Gier nach einer baldigen Revanche wohl so groß, dass der Mannschaft in der Saison 1977/78 eine regelrechte Sensation gelang. In einer fulminanten Spielzeit durfte man sich am Ende zum ersten Mal „Bezirksmeister‟ nennen und stieg in die Bezirksliga auf. Dort gab es unter anderem ein Wiedersehen mit Groß Lindow, die ein Jahr zuvor den Weg in die Bezirksliga antraten. Was mit dem Aufstiegsmärchen begann, endete dann mit dem zu erwartenden Abstieg zurück in die Bezirksklasse.
Viel mehr Sorge bereitete dem Verein aber die finanzielle Situation. Die sanitären Anlagen und Platzverhältnisse litten zu der Zeit unter dem fehlenden Kleingeld. Als dann auch noch die Jugendarbeit zusammenbrach, weil die talentierten Junioren zur SG Dynamo Fürstenwalde delegiert wurden, verlor der Verein binnen zwei Jahren sein zukunftsträchtiges Aushängeschild und damit die Zuversicht. War es das nun mit dem Fußball in Briesen?
Danilo Ballhorn