Starkes Miteinander prägt den gesamten sportlichen Verlauf
Der Fußball in Briesen steht vor dem Aus. Die Zuversicht schwindet und einige geben schon die Hoffnung auf. Mit dem Verlust der Jugend und den gebeutelten Finanzen bleibt nicht viel von dem, was über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Es ist Zeit, Herzblut und Charakter zu zeigen, denn der Fortbestand des Vereins steht auf dem Spiel. Das Engagement mancher ging sogar soweit, dass die Ehefrau mahnte: „Nimm doch dein Bett und schlaf auf dem Sportplatz!“
Der Abstieg aus der Bezirksliga – man rückte als Gemeinschaft noch enger zusammen und es war Improvisationstalent gefragt. Nachdem sich Ende der 70er niemand verantwortlich fühlte, die Fußballabteilung weiterzuführen, war es Reinhard Ballhorn, der das Amt des Sektionsleiters übernahm. Gleichzeitig fungierte er als Spielertrainer der ersten Mannschaft, wo er zuvor nur das Tor hütete. Verlass war dabei immer auf das über die Jahre zusammengewachsene Team, das bis auf Hans-Jürgen Meidel, der nach Petersdorf auf den „Lehmberg“ wechselte, zusammenblieb. Die Saison 1979/80 beendete die BSG Agrochemie (ACZ) Briesen auf einem guten dritten Platz. Die darauffolgende Saison begann man anfangs bärenstark und konnte sich unter den ersten Dreien festsetzen, doch zum Ende der Hinrunde ging dem Team der Atem aus und sie landeten zur Winterpause auf Rang elf. Routinier Bodo Stürmer, Wolfgang und Jürgen Noske, Udo Thürk, Torwart Reinhard alias Nissi Ballhorn, Detlef Philipp, Hansi Schübler und die Tepper-Brüder Wolfgang und Bernd alias Otto gingen in Briesen weiter voran. Komplettiert wurde das Team von der jungen Garde um Roland Langer, Henry Galisch, Lothar Müller, Jörg Patke und dem erst 18-jährigen Ralf Patke, der groß aufspielte. In der Rückrunde spielten sich die Briesener zum Erstaunen aller in einen regelrechten Rausch, der zum Schluss doch noch mit Platz fünf belohnt wurde. Die Saison 80/81 war damit nur der Anfang eines turbulenten Jahrzehnts in jeglicher Hinsicht. Sportlich rangierte die BSG immer in der oberen Tabellenhälfte und meistens sogar im ersten Drittel. Doch viel spannender waren diverse Kuriositäten, die sich in dieser Truppe anhäuften. Bei den Geschichten, zu den Spielen in Unterzahl, dem Torwart als Elfmeterschützen, Spielen ohne Schiedsrichterbeteiligung oder dem Auflaufen unter einem anderen Spielerpass, verfallen die Zeitgenossen noch heute in lautes Gelächter. Als eingeschworene Einheit von zeitweise nur 15 Mann war man für attraktives Kombinationsspiel und die körperbetonte Zweikampfführung bekannt. Die Briesener waren wahrlich keine Kinder von Traurigkeit. Zwei hatten daran ganz entscheidenden Anteil – Jürgen Noske und Wolfgang Freudenberg. Die vereinsinterne Disziplinarkommission um Martin Alter, Detlef Kehm, Erwin Fröhlich und Heinz Freudenberg gab sich mehrmals das Vergnügen mit dem Sportgericht. Heute jagen einige der Kartenstatistik von damals wohl noch nach. Unvergesslich bleiben die Auswärtsfahrten der 80er. Mit dem „Karpatenschreck“, einem ARO TV 41, zogen die Briesener durch die Republik – ohne Fenster versteht sich. Der Kleinbus aus Rumänien wurde nach Möglichkeit von dem Agrochemie-Zentrum bereitgestellt. Musste auf den „Mannschaftsbus“ verzichtet werden, sprang des Öfteren Rolf Kind als treuer Anhänger der BSG in die Bresche und kutschierte die Mannschaft nach Eisenhüttenstadt, Vogelsang oder ins entfernte Lieberose. Eines durfte auf keiner Auswärtsfahrt fehlen – ein donnerndes Lied von Hansi Schübler. Egal, ob nach einem Sieg oder einer bitteren Niederlage, wenn der Außenverteidiger seiner Kreativität musikalisch wieder freien Lauf ließ, sangen alle munter mit. Die Zweite Mannschaft der ACZ Briesen hatte es aufgrund der schmalen Besetzung in dieser Zeit schwer, an alte Erfolge anzuknüpfen. Sie sicherten dem Verein dennoch Jahr für Jahr den Klassenerhalt in der ersten Kreisklasse. In der Saison 81/82 gab es beispielsweise ein knappes Herzschlag-Finale, in dem man am vorletzten Spieltag Lokalrivale Traktor Steinhöfel endgültig hinter sich ließ und den Abstieg vermeiden konnte. Auch diese Vertretung der BSG zeichnete sich durch jahrelangen Zusammenhalt aus. Harry Eisermann, Jürgen Forkert, Gerd Siebke, Georg Fanfara, Jürgen Giseler und aufstrebende Kerle, wie Henry Babuliack, Bernd Kaiser und der gerade 18-jährige Michael Noske sollten über viele Jahre das Bild prägen. Sorgen bereiteten dem Verein vor allem die Finanzen. Als dann noch diverse Strafen wegen mangelnder Platzaufbauten hinzukamen, musste Durchhaltevermögen bewiesen werden. Schon damals zeichnete sich wie auch heute eine Knappheit an Schiedsrichtern ab. In Briesen war man daher froh, immer auf den Sportfreund Klaus Garnitz als Unparteiischen bauen zu können. Trotz der heiklen Lage hatte der Verein ein ganz klares Ziel formuliert. Es sollte wieder eine Jugendmannschaft in Briesen aufgebaut werden. 1983 meldete der Verein zum ersten Mal seit ’79 wieder eine Knaben- und Schülermannschaft für den Ligabetrieb in der Kreisklasse. Doch nach nur einem Jahr fiel die Knabenmannschaft schon wieder auseinander, weil mit Klaus Steinicke der Übungsleiter ging. Aus diesem Grund übernahm Reinhard Ballhorn nun auch noch die Schülermannschaft, die dadurch unter dem Namen der BSG ACZ Briesen spielen konnte. Der Nachwuchs spielte von nun an unter den Top-Fünf im Kreis wieder eine gute Rolle. Doch inwieweit sollte sich diese Entschlossenheit bezahlt machen? Wie es die Fußballromantik will, treffen sich vor allem aus dieser Generation die Spieler noch heute zu den Heimspielen im Briesener Waldstadion und werten das eine oder andere Erlebnis vergangener Zeiten aus. Es war das wohl bedeutendste Jahrzehnt für den Verein, das viele „Was-wäre-wenn-Fragen‟ aufwirft. Denn aus dem damaligen Zusammenhalt aller Beteiligten sollte sich eine echte Erfolgs-Story im Odervorland entwickeln, die mit einem Aufstieg und wilden Frisuren eingeläutet wurde. Danilo Ballhorn |