Frauen machen im Kreis Oder-Spree 70 Prozent aller Teilzeit- und Minijobs
Die Teilzeit und der Niedriglohn – im Landkreis Oder-Spree ist beides weiblich: Noch immer sind hier 70 Prozent aller Teilzeit- und Minijobs in Frauenhand. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zum Internationalen Frauentag hingewiesen. Bei den rund 15.500 Teilzeit-Stellen im Landkreis liegt der Frauenanteil nach Angaben der Arbeitsagentur sogar bei 78 Prozent.
Uwe Ledwig, Geschäftsführer der NGG Berlin-Brandenburg, spricht von einer „Karrierefalle“: Gerade in Hotels, Restaurants und Bäckereien seien Minijobs und Teilzeit-Verträge stark verbreitet. „Die Kellnerin in Vollzeit ist die Ausnahme“, so Ledwig. Wer jedoch 20 oder 25 Stunden arbeite, habe es beim beruflichen Aufstieg deutlich schwerer. Das gehe aus einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung hervor. Danach sind für Teilzeit-Beschäftigte auch Gehaltszuwächse und Beförderungen seltener.
„Bei der Bezahlung stehen Frauen allgemein weiterhin deutlich schlechter da als Männer“, kritisiert Ledwig. So verdienten Frauen in Deutschland zuletzt 21 Prozent weniger als Männer. Das hat das Statistische Bundesamt ermittelt. Im EU-Durchschnitt lag der so genannte „Gender Pay Gap“ dagegen lediglich bei 16 Prozent. „Es kann nicht sein, dass Paula nur deshalb auf bis zu mehrere Hundert Euro pro Monat verzichten muss, weil sie nicht Paul heißt“, kritisiert Ledwig.
Zwar gebe es für Frauen im Kreis Oder-Spree seit diesem Jahr erstmals einen Rechtsanspruch darauf zu erfahren, was ein männlicher Kollege in ähnlicher Position verdient. Doch das Lohntransparenzgesetz gilt lediglich in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten. „Davon hat kaum eine Köchin oder Bäckereifachverkäuferin im Kleinbetrieb etwas“, bemängelt Gewerkschafter Ledwig. Hier müsse die künftige Bundesregierung dringend nachbessern.
Sollte die Politik nicht deutlich mehr gegen die Lohnungerechtigkeit unternehmen, dürfte sich nach Einschätzung der NGG auch die Altersarmut für Frauen im Kreis Oder-Spree verschärfen. „Geringere Löhne und kürzere Arbeitszeiten sorgen für magere Renten. Außerdem tragen Erziehungs- und Pflegezeiten dazu bei, dass nur wenige Rentenpunkte zusammenkommen“, erklärt Uwe Ledwig.
In einer aktuellen Studie beziffert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) die „weibliche Rentenlücke“ in den neuen Bundesländern auf 23 Prozent. Ein Rentner erhält demnach Bezüge von durchschnittlich 1.056 Euro im Monat. Eine Rentnerin kommt dagegen nur auf 818 Euro. Ledwig: „Am Ende ist das auch für den Staat eine teure Sache. Die öffentliche Hand muss dann Armutsrenten durch Grundsicherung im Alter und Zuschüsse fürs Wohnen aufbessern.“
Hinzu kommt: Im Beruf sind nach Beobachtung der NGG noch immer viele Frauen Diskriminierung ausgesetzt. „Zotige Sprüche an der Theke sind da noch das Geringste“, so Ledwig. In 80 Prozent aller Fälle von sexueller Belästigung von Frauen gehe die Gewalt von einem Mann aus. Dies hat die Antidiskriminierungsstelle des Bundes in einer aktuellen Studie festgestellt.
Positiv wertet die NGG Berlin-Brandenburg, dass sich immer mehr Frauen gegen Ungerechtigkeiten im Arbeitsleben zur Wehr setzten. Dabei könnten sie auf die Hilfe der Gewerkschaft zählen – per Rechtsschutz lasse sich etwa der übergriffige Kollege abmahnen.
Mit Blick auf das 100-jährige Bestehen des Frauenwahlrechts sagt Uwe Ledwig: „Nach der rechtlichen Gleichstellung muss auch eine vollständige Gleichbehandlung im Job kommen. Unterschiedliche Löhne für Männer und Frauen darf es heute nicht mehr geben.“