Wohnhäuser im Kreis Oder-Spree
Tonnen von Baumaterial mit Asbest stecken auch im Landkreis Oder-Spree in Altbauten. „Von 1950 bis 1989 kamen Asbest-Baustoffe intensiv zum Einsatz. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in dieser Zeit gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger, sagt Astrid Gehrke von der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Sie spricht von „Asbest-Fallen“ und nennt Zahlen: „In den vier ‚Asbest-Jahrzehnten‘ wurden im Landkreis Oder-Spree rund 12.800 Wohnhäuser mit 39.500 Wohnungen neu gebaut. Das sind immerhin 25 Prozent aller Wohngebäude, die es heute im Kreis gibt. Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft. Die Bezirksvorsitzende der IG Bau Oderland verweist dabei auf die „Situationsanalyse Asbest“, die die Bau-Gewerkschaft beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat.
Asbest ist ein krebserregender Stoff. Wer in einem asbestbelasteten Haus wohnt, muss sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen. Erst bei Sanierungsarbeiten wird es kritisch. Dann kann Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden. Sie warnt vor einer unsichtbaren Gefahr, wenn Altbauten zu Baustellen werden: Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an. Bauarbeiter und Heimwerker haben kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen. Bis zu 30 Jahre dauere es, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs. Zum Komplett-Schutz bei einer Sanierung mit Asbest-Gefahr gehöre daher immer mindestens eine FFP3-Atemschutzmaske. Ebenso ein Muss: Overall, Schutzbrille und Handschuhe.
Die IG Bau Oderland spricht von einer neuen „Asbest-Gefahr“: „Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, wird auch im Kreis Oder-Spree in den nächsten Jahren ein Großteil der Altbauten angefasst. Dabei bleibe es in den meisten Fällen nicht bei einer reinen Energiespar-Sanierung: Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut. Es wird angebaut und aufgestockt, um mehr Wohnraum zu bekommen“, so Gehrke.
Mit der Sanierungswelle drohe deshalb jetzt auch eine Asbest-Welle auf dem Bau. Sie ist eine Gefahr – für Bauarbeiter genauso wie für Heimwerker, Aber IG Bau und Pestel-Institut geben auch Entwarnung. Für die Menschen, die in Wohngebäuden leben, die mit asbesthaltigen Baustoffen gebaut wurden, haben sie eine klare Botschaft: Eine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit gibt es nicht“ Bei einer Sanierung im bewohnten Zustand sei es allerdings wichtig, mit allergrößter Sorgfalt professionell vorzugehen, mahnen Astrid Gehrke und der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther.
Die Dimension und damit auch die Gefahr, die vom Asbest ausgehe, sei gewaltig: Insgesamt sind nach Angaben des Pestel-Instituts von 1950 bis 1990 bundesweit rund 4,35 Millionen Tonnen Asbest (Ost- und Westdeutschland) importiert worden. Daraus seien rund 3.500 Produkte hergestellt worden – die meisten davon für den Baubereich: Knapp 44 Millionen Tonnen asbestbelastetes Baumaterial stecken bundesweit im Gebäudebestand. In den vergangenen zehn Jahren sind nach Angaben der IG Bau 3.376 Versicherte der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft an den Folgen einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben – darunter allein 320 Baubeschäftigte im vergangenen Jahr.