Gesetzliche Altersvorsorge stärken
Ein Leben lang arbeiten – und trotzdem reicht die Rente nicht: Im Landkreis Oder-Spree sind rund 7.300 Vollzeitbeschäftigte selbst nach 45 Arbeitsjahren im Rentenalter von Armut bedroht. Davor warnt die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und beruft sich hierbei auf Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Rentenversicherung. Demnach verdienen 20,3 Prozent aller Beschäftigten, in Vollzeit arbeiten, weniger als 2.050 Euro brutto im Monat. Rein rechnerisch müssten sie sogar mehr als 45 Jahre lang arbeiten, um auf eine Rente oberhalb der Grundsicherungsschwelle von aktuell 835 Euro zu kommen.
Altersarmut ist kein Schreckensszenario in der Zukunft, sondern für viele Menschen längst Realität. Die Rente derer, die zum Beispiel jahrzehntelang in einer Bäckerei oder Gaststätten gearbeitet haben, reicht schon heute oft nicht aus. Rentenkürzungen oder Forderungen über ein späteres Eintrittsalter sind der falsche Weg.“ Stattdessen muss die Politik die gesetzliche Rente stärken“, so Sebastian Riesner, Geschäftsführer der NGG-Region Berlin-Brandenburg, mit Blick auf die aktuelle Debatte rund um die Alterssicherung. Das Rentenniveau, also die durchschnittliche Rente nach 45 Beitragsjahren bei mittlerem Verdienst, dürfe nicht weiter absinken. Seit dem Jahr 2000 sei das Rentenniveau bereits von rund 53 Prozent auf aktuell 48 Prozent abgesenkt worden. Konkret bedeutet das, dass Geringverdiener mit einem Einkommen von weniger als 2.050 Euro brutto im Monat statt 42 nun fast 46 Jahre lang arbeiten müssen, um überhaupt noch die Grundsicherungsschwelle im Alter zu erreichen. Aber vier Jahre länger an der Bäckereitheke, in der Lebensmittelfabrik oder im Schlachthof am Band zu stehen, ist vielen Beschäftigten gesundheitlich gar nicht möglich. „Jede Anhebung des Renteneintrittsalters ist somit faktisch eine Rentenkürzung“, unterstreicht Riesner. Die nächste Bundesregierung müsse das derzeitige Rentenniveau stabilisieren und perspektivisch anheben, um einen weiteren Anstieg der Altersarmut zu verhindern. Die von Wirtschaftsverbänden geforderte „Rente mit 70“ sei der falsche Weg – und ein „Schlag ins Gesicht der Menschen, die körperlich arbeiten und schon bis 67 nicht durchhalten können“. Auch deshalb sei es wichtig, dass die Beschäftigten ihre Stimme bei der Bundestagswahl am 26. September abgäben – und sich informierten, was die Rentenkonzepte der einzelnen Parteien für sie bedeuteten, so die NGG. Zugleich seien die Unternehmen in der Pflicht, prekäre Beschäftigung zurückzufahren und Tarifverträge zu stärken. Gerade im Hotel- und Gaststättengewerbe gebe es einen enormen Nachholbedarf, um die Einkommen wirklich armutsfest zu machen – auch weil viele Firmen aus der Tarifbindung flüchteten. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit verdienen in Brandenburg aktuell rund 9.000 von insgesamt 13.100 Vollzeitbeschäftigten im Gastgewerbe weniger als 60 Prozent des bundesweit mittleren Monatseinkommens von 3.427 Euro. „Hier darf es niemanden überraschen, dass während der Corona-Krise so viele Köche und Hotelangestellte ihre Branche verlassen haben“, sagt Riesner. |