Undifferenziertes Beherbergungsverbot ist unverhältnismäßig
Der Bundestag hat die sogenannte Bundesnotbremse im Infektionsschutzgesetz beschlossen. Der Gesundheitsschutz hat Vorrang. Das ist und bleibt so. Dennoch haben wir erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Das undifferenzierte touristische Beherbergungsverbot im Infektionsschutzgesetz ist nicht verhältnismäßig. Es formuliert im Rahmen der Pandemiebekämpfung einen Generalverdacht gegenüber touristischen Übernachtungen, ohne weitere, nachvollziehbare Begründungen zu liefern. Selbst das Robert-Koch-Institut schätzt die Infektionsgefahr durch touristische Übernachtungen für gering ein, geringer sogar als manche bereits wieder geöffnete gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche.
Laut dem Wissenschaftlichen Dienst des Europäischen Parlaments gibt es in 19 und damit der deutlichen Mehrzahl der EU-Mitgliedsstaaten kein touristisches Beherbergungsverbot für die einheimische Bevölkerung. Nach über einem Jahr der Pandemie wären Gesetz- und Verordnungsgeber gehalten, diese Erkenntnisse zu berücksichtigen. Das gilt umso mehr für den Bereich der Inzidenzen unter 100, der nach wie vor von den Ländern geregelt werden soll. Immer noch fehlten jegliche Vorgabe und Strategie, welche Maßnahmen wann und nach welchen Kriterien zu ergreifen sind. Die Sommerferien stehen bald an. Wenn demnächst der digitale Impfnachweis Auslandsreisen erleichtert, droht der Deutschlandtourismus ins Hintertreffen zu geraten, weil es keine Regelung und keine Öffnungsperspektive gibt, wie Tourismus in Deutschland unterhalb einer Inzidenz von 100 möglich ist. Wir brauchen eine Planungs- und Öffnungsstrategie für den Tourismus. Sie ist seit Januar von der Politik angekündigt, aber immer noch nicht vorangekommen. Eine Branche von struktureller Bedeutung, viele Existenzen und tausende von Arbeitsplätzen stehen auf dem Spiel, wenn nicht bald eine Perspektive vorgelegt wird. Bund und Länder müssen schnellstmöglich eine Strategie für den Deutschlandtourismus vorlegen, so der Geschäftsführer des Deutschen Tourismusverbandes, Norbert Kunz. |