Mein Oller küsst mich nicht mehr. Ohnehin sind Intimitäten solcher Art schon lange nicht mehr sein Ding, aber wenigstens erinnerte mich bislang sein Stacheln früh und abends an schöne, aber lange vergangene Zeiten. Nun winkt er bloß noch freundlich aus dem Bett herüber. „Nimms nicht persönlich, Erna“, brubbelt er dazu. Die Panik vor DEM Virus hat ihn gepackt, seit es von offizieller Seite her heißt, es gäbe keinen Grund zur Panik. Dann machte er eine Einkaufsliste über 2 A-4-Seiten und schickte mich in die Spur. So gegen halb 10 Uhr vormittags. „Musst schon alleine fahren“, meinte er, „wenn du das alles gekauft hast, ist für einen zweiten Mann im Auto kein Platz mehr.“ Dazu muss man wissen, dass wir einen Passat-Kombi fahren.
Es sollte noch schlimmer kommen. Als ich den Einkauf endlich gegen 19.30 Uhr in der Wohnung und im Keller verstaut hatte – einen Teil mussten wir wegen Platzmangels im Auto lassen – verkündete mein Oller ein absolutes Ausgangsverbot.
„Sieh‘ das mal als sozial-interaktionelles Fasten!“
Ich war fassungslos. „Und deine Skatabende?“
„Was soll ich da, oder kannst du mir sagen, wie man mit Mundschutz Bier trinken soll?“
Zum Glück fällt Fernsehen nach der Auffassung meines Ollen nicht unter „soziale Kontakte“, stellt also kein Fastenbrechen dar. Aber ich kann euch sagen – schön ist anders. Thüringen hat endlich wieder seinen Ramelow. Trotz CDU. Ob die jemals wieder ihre Knoten und Verwindungen aus sich rauskriegt, bezweifle ich heftig. Pawel Ziemiaks Redebeitrag nach der ersten missfallenen Wahl im Freistaat klingt mir noch in den Ohren. Wobei der eigentlich nicht redete, sondern geiferte. Natürlich muss man berücksichtigen, dass der 1985 Spätgeborene in einem System sozialisiert und gebildet wurde, in dem zwar harsch und nicht immer fair die DDR thematisiert wurde. Die eigene Geschichte dagegen wurde nur in passgerechten Abschnitten beleuchtet. So darf es nicht verwundern, dass ein Hans Globke oder ein Heinrich Lübke oder ein Hans Filbinger mit ihren Bindungen zur CDU bei Paulchen weitgehend unbekannt sind. Bildungslücken. Könnte man bei Wikipedia schließen.
Klargemacht haben mir die Ausfälligkeiten des CDU-Generalsekretärs aber eines, und das ganz deutlich: Es geht in der deutschen Parteipolitik schon lange nicht mehr um die Sache. Was mit unserem Land passiert, interessiert keine Sau mehr, sobald sie an der Spitze beim Fressnapf steht oder gern dorthin gelangen will.
Was will der Wähler hören? Was müssen wir machen, um beim Wähler gut anzukommen? Wie bekomme ich mehr Stimmen bei der nächsten Wahl? Was ist schicker – ein Einzelkandidat oder ein Team? Vielleicht versuchen wir es mal wieder mit einem Zentralkomitee? Klangen doch so, die Reaktionen aus der CDU nach Thüringenwahl Nr. 1. Am deutlichsten war (Überraschung!) Frau Merkel: „… das muss korrigiert werden…“. Dabei sprach sie von einer eigentlich demokratischen Wahl – mag man zum Ergebnis stehen wie man will. Mir fiel sofort „Zentralkomitee“ ein.
Politik der Sache wegen ist heutzutage ganz dünnes Eis. Kluge politische Entscheidungen in der Sache können ganz schnell zum eigenen politischen Sargnagel werden. Aber das liegt an uns, den Wählern, die oft nicht weiterdenken als ein Schwein kotet.
Doch so doof sind Politiker gar nicht! Kürzlich hätte ein Gespräch zwischen Scheuer und Seehofer so verlaufen sein können:
Scheuer Andi: „Horst, ich glaub, da ist was dran, an dem Tempolimit und derer COzwei-Einsparung…“
Seehofer Horst: „Geh Andi, wie kommst jetzt daherauf?“
Scheuer Andi: „Na, mein BMW 9xy braucht, wan i 190 Sachen fahr, halt dreimal mehr Brühe auf 100 km als wenn i bloß 130 fahr.“
Seehofer Horst: „Dafür bist halt schneller da und fährst nicht so lang. Verbrauchst halt weniger, als wenn’d langer fahren tätst.“
Scheuer Andi: „Aber weil ich a kürz‘re Zeit fahr, wird doch der Weg nicht kürzer! Hundert Kilometer bleiben nun mal hundert Kilometer.“
Seehofer Horst: „Redst schon wia Grüana! Aber ist doch Wurscht, was meinst, wie viel Wähler uns abgehn, wen’d jetza mit a Tempolimit akimmst!“
Scheuer Andi: „Ach, da hätt ich schon a Idee, mir setzen a Expertenkommission ein. Da können wir doch dann nichts für, wenn die rauskriegen, dass so a Tempolimit was bringen tät.“
Seehofer Horst: „Andi, bist halt a rechter Fuchs! Und mit Expertenkommissionen kennst dich ja aus!“
Es ist schon erstaunlich, auf was für Gedanken man kommt, wenn man in Quarantäne sitzt…
Für meinen Ollen habe ich übrigens noch eine Überraschung im Kofferraum: eine Kiste Bier – Marke „Corona“. War grade im Angebot, warum auch immer.