FV Blau-Weiß 90 Briesen entfacht Euphorie im Odervorland
„Die Wende‟ hat alles verändert – Deutschland ist vereint. War es dieses Ereignis, das den Dorfverein aus Briesen plötzlich zu einer großen Nummer aufsteigen ließ? Eine gewisse Parallele lässt sich wohl kaum von der Hand weisen. Doch mit der Umstrukturierung der BSG Agrochemie Briesen zum FV Blau-Weiß 90 Briesen entfacht sich eine Euphorie im Odervorland, an der eine Mannschaft heranwächst, die selbst dem Star-Kabinett des FC Energie Cottbus die Stirn bot.
In der Saison 1990/91 starteten die Briesener mit ihrem neuen Vereinsvorsitzenden Thoralf Alter in der Landesklasse Mitte. „Eine tolle Truppe‟ stand auf dem blau-weißen Robur LO 3000 und eine ebenso beherzte Truppe steckte auch drin. Platz drei aus der Saison nach dem Mauerfall reichte den Briesenern nicht, man wollte höher hinaus. Was der Mannschaft um Jürgen Noske als Spieler in den 80er Jahren gelang, sollte er nun als Trainer an der Seitenlinie mit den Söhnen einiger alter Teamkollegen wiederholen. Nicht nur mit dem Aufstieg 1992 in die Landesliga hatte sich der treue Sportsfreund verdient gemacht. Zusammen mit Burkhard Bremer, Ralf Belling und dem ab ’92 langjährigen Vereinsvorsitzenden Siegmund Balzer entstand ein Führungs-Quartett, das mit viel Eifer dem Verein große Erfolge ermöglichte. In Briesen wurden so trotz der immer noch knappen Finanzen gute Bedingungen geschaffen, um einen gepflegten Fußball praktizieren zu können. Ob das Wasser der neuen Beregnung nun heimlich aus dem orteigenen Mühlengraben abgezapft wurde oder die neue Kneipe einer kleinen Waldhütte ähnelte, spielte keine Rolle. Schlicht, einfach und gelegentlich originell bewältigten die Briesener jede Hürde. Selbst wenn der Robur-Mannschaftsbus mal auf dem Rückweg aus Ludwigsfelde die Radmuttern verlor, kam der Vorstand höchstpersönlich mit dem Ersatzfahrzeug angetuckert, um das Team abzuholen. Wer sich an dieser Stelle denkt: „Den Aufwand hätten sie sich für den Hühnerhaufen sparen können‟, der sieht sich getäuscht. In der Saison 94/95 kam der damalige Oberligist FC Energie Cottbus zum Pokalspiel der vierten Runde ins heimische Waldstadion. Zwar fuhren die Lausitzer den erwartungsgemäßen Erfolg ein, doch die Briesener schnupperten mit einem Kopfball von Guido Heyder an der Sensation. Ein glanzloser Auftritt von Petrik Sander, Detlef Irrgang und Co. reichte durch einen Sonntagsschuss am Ende zum 0:1-Erfolg über die Briesener. Etwas kurioser verliefen die Spiele in Ströbitz und Neuenhagen bei Bad Freienwalde. In Ströbitz besiegelte man den Abstieg der SG Wacker in deren eigenen Trikots, da man die vereinsinternen am Bahnhof vergessen hatte. Neuenhagen hingegen empfing mit fast einer Stunde Verspätung den Pokalgegner aus Briesen. Da die Schiedsrichter schon nach Hause geschickt wurden, sprang nun der mitgereiste Reinhard Ballhorn als Unparteiischer ein. Allen amüsanten Anekdoten zum Trotz stiegen die Briesener 1995 wieder in die Landesklasse ab. Nachdem Bernd „Atze‟ Kussatz ’97 als Trainer aufhörte, betrat nun mit Detlef Horn alias Honne, ein in Briesen unbeschriebenes Blatt, die Fußball-Bühne. Der Fürstenwalder führte 1998 ohne Anlaufschwierigkeiten den Verein zurück in die Landesliga. Bis tief in die Rückrunde gaben sich die Blau-Weißen keine Blöße und blieben ungeschlagen. Am letzten Spieltag setzte es dann zu Hause gegen Bestensee die zweite Saisonniederlage. Diese Niederlage war für jeden Einzelnen so zum Haareraufen, dass sich die Aufstiegshelden ihre Haarpracht unter den Augen von fast 200 Zuschauern blau-weiß färben ließen. Ob dieses Farbspektakel am Ende den Briesenern den Beinamen „Das gallische Dorf‟ bescherte, lässt sich nicht eindeutig belegen. Glasklar ist hingegen, dass die Spieler bei der Farbe der Fußballschuhe bei weitem nicht so tolerant waren. In Briesen zählten nur schwarze Treter und waren sie es nicht, mussten sie schwarz geputzt werden, wovon der damalige Neuzugang Daniel Dressler ein Lied singen kann. Der heutige Geschäftsführer Patrick Sauer versuchte im ersten Training mit roter Fußbekleidung zu landen, deren Unterfangen endete nach einer Einheit in der Mülltonne. Rot? – War da nicht was? Gemeint sind natürlich die unzähligen Schlachten auf dem „Betzen-‟ oder „Lehmberg‟ beziehungsweise im Briesener Waldstadion. Im Nachbarschaftsduell gegen Rot-Weiß Petersdorf ging es immer heiß und umkämpft her. Wenn Briesen auf Petersdorf traf, dann waren Worte wie Familie, Schulfreunde und Schmerz Fremdwörter. Die Partien hielten alles parat, was man sich von einem Derby verspricht. Ein Pokalfight blieb da wohl jedem Blau-Weißen ganz besonders im Gedächtnis. Beim besagten Spiel ging es in einem packenden Duell bis ins Elfmeterschießen, bei dem die Briesener Heiko Schübler und Reiko Ballhorn ihre Elfer verschossen und die Petersdorfer sich schon vorbereiteten, den Sieg über den Favoriten zu feiern. Doch diese Rechnung hatten sie wohl ohne den „Langen‟, Reno Ballhorn, gemacht. Der Torhüter bekam gleich drei Strafstöße zu fassen, was schlussendlich den Triumph zur Folge hatte. Doch die Männer des FV Blau-Weiß 90 Briesen waren nicht die einzigen Siegertypen, die emporstiegen. Im Juniorenbereich zogen Martin Alter und Hilmar Kussatz eine schlagkräftige Truppe heran, die von den Bambinis bis zur C-Jugend zusammenspielte. Schon damals waren die heutigen Derbys gegen Union Fürstenwalde das absolute Highlight der Junioren. Einer der damaligen Kicker erinnert sich noch ganz genau an die Medizinball-Gedächtniseinheiten im Training. Doch sie sollten sich bezahlt machen, denn wenn er verlor, lief er bockig nach Hause und kam nach den tröstenden Worten der Familie sofort wieder zurück zum Sportplatz. Es war genau dieser Ehrgeiz, der die Mannschaft auszeichnete und einige von ihnen nach Fürstenwalde brachte. Im Verein hoffte man, dass die Jungs irgendwann wieder den Weg zurück ins Waldstadion finden würden. Danilo Ballhorn |