Überzeugte durch das spannende Zusammenspiel
Darauf einigte sich die sechsköpfige Jury am Freitagnachmittag nach dreistündiger Beratung. Insgesamt hatten sich in diesem Jahr 40 Autoren aller Altersklassen aus Deutschland und Österreich, um das Amt beworben. Unter den als Leseprobe eingereichten Texten finden sich vor allem Lyrik und Prosa – Essays, Kurzgeschichten und Romanauszüge ebenso wie Sachbuchtexte.
Henryk Gericke, geboren 1964 in Ostberlin, arbeitete nach einer Lehre als Buchbinder als Drucker im Progress Filmverleih und ist seit 1986 freischaffender Schriftsteller. 1982 gründete er die Punkband „The Leistungsgleichen“ und war ab 1985 in der politischen Opposition Ostberlins aktiv. Nach dem Erscheinen eines ersten Gedichtbandes 1996, schrieb Gericke bis 2004 fast ausschließlich Lyrik, vereinzelt auch Essays, Artikel und Rezensionen. Im selben Jahr erhielt er das Alfred-Döblin-Stipendium der Akademie der Künste in Berlin und begann, sich intensiver mit dem Thema Subkultur und Gegenkultur in der DDR zu beschäftigen. Es entstanden Ausstellungen, ein Dokumentarfilm, Rundfunksendungen, Artikel und Bücher. Seit 2019 gibt Gericke die Schallplatten- und Kassetten-Serie „tapetopia – GDR Undergroundtapes“ heraus.
Die Jury überzeugte Gericke durch das spannende Zusammenspiel aus biografischem Hintergrund (Ostberliner Underground; Affinität zur Punkmusik) und seinem begonnenen Romanprojekt „Der Raum ist aus den Fugen“ (Arbeitstitel), in dem er mit einer stilistisch sehr ausgefeilten, bildreichen Sprache arbeitet. Positiv bewertet wurde zudem sein sehr individuelles Motivationsschreiben, in dem er seine Biografie mit seinen Vorhaben in Beeskow verwebt. Der „Kontrast zwischen Poesie und Punk“, in dem er sich bewege, mache ein „Universum“ auf, in dem „viel Spielraum“ sei. Die ältere Generation, so hieß es abschließend, könne gut eine Verbindung zu ihm aufbauen, der jungen wiederum habe er „etwas zu erzählen“.
Zur Burgschreiber-Jury gehörten neben der 30. Burgschreiberin zu Beeskow, Franziska Hauser, der Berliner Kulturjournalist Peter Liebers, Verleger André Förster vom Verlag für Berlin-Brandenburg, Kerstin Bartelt, stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt Beeskow, Leni Hartung, Schülerin des Beeskower Rouanet-Gymnasiums, und Stephanie Lubasch vom Kultur- und Sportamt des Landkreises Oder-Spree. Henryk Gericke wird am 13. Januar 2024 im Rahmen einer Antrittslesung ins Amt eingeführt.
Zu den Burgschreibern vergangener Jahre gehörten der 2005 verstorbene Henryk Bereska, Regina Hilber, Armin Strohmeyr, Ines Geipel, Ralph Hammerthaler, Sascha Macht und Inka Bach. Zum diesjährigen Jubiläum des Amtes wird knapp ein Dutzend von ihnen – darunter Burgschreiber Nr. 1, Gert Loschütz erwartet.
Am 8. Oktober im Rahmen der Literaturkonferenz Oder-Spree in der Zeit von 11–17 Uhr wird es in der Burg Beeskow nach einem Talk zum Thema Literaturstipendien und Residenzen am Vormittag dazu noch die Autoren am Nachmittag ab 15 Uhr bei einer Speed-Lesung Einblicke in ihr Schaffen geben.