Eine unheilbare, aber gut behandelbare Krankheit
Bei Morbus Parkinson handelt es sich um eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. Allein in Deutschland sind 400.000 Menschen betroffen. Der Welt-Parkinson-Tag – am 11. April – soll das öffentliche Bewusstsein für die Parkinson-Erkrankung und die Bedürfnisse der Patienten schärfen. Priv.-Doz. Dr. med. Konstantin Prass ist Chefarzt der Klinik für Neurologie im Helios Klinikum Bad Saarow und Parkinson-Experte. Er beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die Krankheit. Die Parkinsonsche Erkrankung oder auch Morbus Parkinson ist eine langsam fortschreitende Erkrankung des Nervensystems, die vorrangig das Bewegungsvermögen beeinträchtigt. Namensgeber ist der britische Arzt James Parkinson, der sie 1817 als Schüttellähmung beschrieb. Um mehr über die Krankheit zu erfahren, fragen wir einen Experten.
Herr Chefarzt Dr. Prass, was passiert genau bei der Erkrankung Parkinson?
Bei dieser Erkrankung kommt es zum Absterben bestimmter Nervenzellen im Gehirn. Der Krankheitsprozess breitet sich dabei über Jahre über das Gehirn aus. Anfangs sind Regionen betroffen, die das Geruchsvermögen oder die Beweglichkeit im Schlaf steuern. Später kommen dann die bekannten Hauptsymptome einer Bewegungsverlangsamung und Steifigkeit hinzu. Neben dem Gehirn sind aber auch Nervenzellen im Verdauungssystem betroffen, was die häufig beklagte Verstopfung erklären kann.
Welche Altersgruppen sind von der Parkinsonkrankheit am meisten betroffen?
Die Parkinson-Erkrankung setzt meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr ein, wobei die eigentliche Erkrankung, zumeist noch unbemerkt, schon viele Jahre früher beginnt. Selten sind auch deutlich jüngere Personen, schon etwa ab 30 Jahren, davon betroffen.
Welche Symptome treten bei Parkinson auf?
Die Erkrankung breitet sich ganz langsam über das Gehirn hin aus. Abhängig davon, welche Region befallen ist, lassen sich die resultierenden Beschwerden ableiten.
Bevor die eigentlichen motorischen Beeinträchtigungen beklagt werden, berichten die Patienten – in der oft über Jahre zuvor schon bemerkbaren, sogenannten prämotorischen Krankheitsphase – über einen Verlust des Geruchssinns, der häufig als ein Nachlassen des Geschmackssinns erlebt wird. Die fünf Geschmacksqualitäten bleiben dabei eigentlich erhalten, aber da das Riechvermögen nachlässt, schmeckt alles irgendwie „fade“ wie bei einer Erkältung. Auch Verstopfung und häufige Phasen gedrückter Stimmung kommen in dieser Krankheitsphase vor. Lebenspartner berichten von eigentümlichen, oft störenden, lebhaften Bewegungen des Erkrankten im Schlaf – so als würde derjenige „seine Träume ausleben“.
Werden für die Bewegung wichtige Hirnareale mitbetroffen, kommt es zur motorischen Krankheitsphase. Spätestens ab jetzt sind Regionen betroffen, die den Hirnbotenstoff Dopamin bilden und speichern. Betroffene beklagen jetzt eine allgemeine Steifigkeit, aber auch Muskelschmerzen, Veränderungen der Feinmotorik, wie beispielsweise bei der Handschrift oder bei Problemen, ein Hemd zu knöpfen. Auch das gut bekannte Zittern, das aber bei weitem nicht bei allen auftritt, kann nun unangenehm werden. In der anfänglichen, sogenannten Honeymoonphase lassen sich die Beschwerden gut medikamentös behandeln.
Im fortgeschrittenen Stadium wird die Therapie anspruchsvoller und vor allem weniger zuverlässig. Es kann zu unvermittelter Über- oder Unbeweglichkeit mit dem Gefühl eines Eingefrorenseins kommen. Der Gang und auch die Haltung zeigen sich nun beeinträchtigt und es kann zu Stürzen kommen. Auch das Sprechen und noch gefährlicher das Schlucken können nun eingeschränkt sein. Leider wird auch immer wieder die Kreislaufregulation mit beeinträchtigt. Schwindel beim raschen Aufstehen sind oft eine Folge.
Im Spätstadium kommt es dann zu einem deutlichen Verlust der Selbstständigkeit, auch das Denken und das Gedächtnis werden nun beeinträchtigt.
Wie kann Parkinson am besten behandelt werden?
Nun, zuvor ist es erst einmal wichtig, die Diagnose zu stellen – gerade am Anfang kann das recht schwierig sein. Bei weitem nicht jeder, der zittert, leidet an einer Parkinsonerkrankung; einige andere Erkrankungen sind zum Verwechseln ähnlich.
Ist die Diagnose aber erstmal sicher, gibt es auch eine gute Nachricht: Über viele Jahre hinweg lässt sich die Erkrankung sehr effektiv behandeln. Unterschiedliche Medikamente kommen zum Einsatz, vor allem solche, die den Dopaminmangel ausgleichen. Erfreulicherweise können wir heute auch in Spätstadien der Erkrankung gut helfen: Pumpenverfahren und Hirnstimulatoren haben geradezu zu einer Revolution unserer Therapiemöglichkeiten geführt.
Darüber hinaus kommen viele nicht-medikamentöse Verfahren zum Einsatz, wie die Logopädie, die Krankengymnastik und Ergotherapie. Sport- und Bewegungstherapie sind nützlich. Als besonders wirksam hat sich Tangotanz oder die chinesische Bewegungsmeditation Tai Chi erwiesen. Hiermit können Beschwerden beeinflusst werden, die üblicherweise schlecht auf Medikamente ansprechen, insbesondere der gefährlichen Sturzneigung kann so sehr wirksam begegnet werden.
Können Sie das genauer erklären? Welche Tests und Untersuchungsmethoden gibt es bei Parkinson?
Zu Beginn werden Tests eingesetzt, die helfen sollen, die Diagnose zu stellen. Dazu kommt das MRT zum Einsatz, gelegentlich auch eine nuklearmedizinische Untersuchung (der DAT-Scan), die Hirnsonographie und der Riechtest. Auch Tests mit Medikamenten erfolgen. In der Erprobung sind mikroskopische Untersuchungen aus einer kleinen Hautprobe.
Im weiteren Krankheitsverlauf kann es wichtig werden, mögliche Komplikationen der Erkrankung rasch zu erkennen – bevor es zu ernsthaften Folgen kommt. Eine endoskopische Schluckuntersuchung (FEES), gemeinsam von Arzt und Schlucktherapeutin/Logopädin durchgeführt, kann helfen, Patienten vor Mangelernährung, aber auch vor Verschlucken zu schützen. Ein Kreislauftest mittels Kipptisch sagt uns, ob der wichtige Blutdruckregelreflex noch gut funktioniert, oder ob hier eine gezielte Therapie nötig wird. Neuropsychologische Gedächtnistest gehen einer spezifischen Trainingstherapie voraus. Die Posturographie (Gleichgewichtsanalyse) kann die Haltung eines Patienten genau messen.
Warum bietet das Helios Klinikum Bad Saarow eine Komplexbehandlung an?
Wir wissen heute, dass eine gute medikamentöse Behandlung nur ein Teil einer optimalen Therapie sein kann. Wesentlich besser können wir helfen, wenn wir sie um die vielen anderen Therapieangebote ergänzen, die ich zum Teil schon aufgeführt habe. Das besondere an einer Komplexbehandlung ist nicht nur die hohe Frequenz an all den Therapieverfahren, sondern auch, dass alle an der Behandlung beteiligten, also bei uns hier in Bad Saarow Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Pflegekräfte, Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Bewegungstherapeuten zusammenarbeiten. Wir treffen uns regelmäßig und besprechen alle Patienten in unserer Komplextherapie, lernen voneinander und stimmen die Therapien möglichst gut auf den einzelnen Patienten ab. Oft ist es so, dass erst in diesen Konferenzen wichtige Beobachtungen berichtet werden, die die weitere Behandlung ganz maßgeblich beeinflussen. Außerdem können wir hier im Klinikum Therapieangebote machen, die außerhalb schwer zu ermöglichen sind, beispielsweise die stochastische Resonanztherapie (die sogenannte Rüttelplatte), aufwändige Behandlungen mit Botulinumtoxin oder ein computergestütztes Gedächtnistraining. Auch besondere Gruppentherapieangebote sind nur im Klinikum möglich. Im Ergebnis der Komplexbehandlung bekommt jeder Patient auch Vorschläge für die ambulante Weiterbehandlung.
Ist Parkinson vererbbar?
Es gibt vererbbare Erkrankungen, die der Parkinsonschen Erkrankung sehr ähnlichsehen können. Diese sind hier in unserer Region eher selten. Bei einem Verdacht hierauf veranlassen wir entsprechende genetische Untersuchungen.
Kann Parkinson durch Stress ausgelöst werden?
Stress im biologischen Sinne, also Bedingungen, die Nervenzellen schädigen – ja. Dies spielt sich aber auf mikroskopischer Ebene ab und hat nichts mit unserem Lebensstress zu tun. Wenn wir auch davon ausgehen, dass die Ursache der Erkrankung von außen kommt, können wir momentan nicht sagen, dass eine bestimmte Lebensweise unser Risiko für die Erkrankung erhöht oder senkt. Das Erkranken ist also keine „Schuldfrage“ und nicht auf einen ungesunden Lebensstil zurückzuführen.
Wie wichtig sind körperliche und geistige Fitness für die Betroffenen?
Betroffene können in der Regel selbst viel tun, um ihren Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass körperliche und auch geistige Aktivitäten sehr förderlich dafür sind. Tägliche Bewegung von mindestens 30 Minuten und auch regelmäßiger Denksport können sehr hilfreich sein. Auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung hat einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Darüber hinaus gilt es, Gewohnheiten und alltägliche Aufgaben möglichst beizubehalten. Das heißt auch, zunehmende Beeinträchtigungen nicht einfach hinzunehmen, sondern dem Arzt gegenüber anzusprechen. Sehr oft können wir helfen. Viele Hilfsmittel können auch beitragen, ein hohes Maß an Selbständigkeit aufrecht zu erhalten. Wer gerne Rad fährt und sich dies aufgrund einer zunehmenden Unsicherheit nicht mehr traut, kann auf ein Fahrraddreirad umsteigen. Computerprogramme können helfen, geistige Fitness zu sichern. Herausstellen möchte ich das schon erwähnte Tai Chi. Diese Technik zu erlernen und täglich zu üben, kann lange helfen, eine gute Haltung und einen sicheren Gang zu behalten.
Was halten Sie von Cannabis gegen Parkinson?
Cannabis ist dank eines großen Medienechos ja überall als Therapieoption präsent. Demgegenüber steht der allgemein doch recht begrenzte Nutzen. Ärzte können nun im Einzelfall Cannabis verordnen. Die wissenschaftlichen Studien sprechen von eher recht bescheidenden Erfolgen. Meine Erfahrung ist, das einzelnen, ich denke aber eher wenigen, so ein zusätzliches Therapieangebot gemacht werden kann. Gelegentlich kommt es erfolgreich zum Einsatz. Viele berichten aber eher über keine zusätzliche Verbesserung.
Und noch eine Frage aus aktuellem Anlass: Gehören Parkinson-Patienten zur Corona Risikogruppe?
Wir wissen derzeit noch viel zu wenig über diese neue Corona Erkrankung. Derzeit haben wir jedoch keine Hinweise darauf, dass Parkinsonbetroffene durch das neuartige Corona-Virus Sars-Cov-2 gefährdeter sind als andere. Hohes Lebensalter und eventuelle Lungenvorerkrankungen sind hier wohl relevanter. Da wohl viele – möglicherweise insbesondere jüngere Menschen – mit Corona ansteckend sein können, ohne Krankheitssymptome aufzuweisen, gilt es, die Verhaltensregelungen nun besonders konsequent zu beachten und Kontakte zu anderen Menschen auf das Notwenigste zu beschränken.