Vortrag zur Stadtgeschichte im Rathauskeller in Fürstenwalde

Am Mittwochabend wurde im Rathauskeller ein weiterer Teil Fürstenwalder Geschichte präsentiert. Hierfür hat das Museum eine Vortragsreihe ins Leben gerufen, die sich „Geschichte(n) aus der Region“ nennt und sich mit den einzelnen Epochen der Zeitgeschichte in Fürstenwalde auseinandersetzt. Dank eines guten Hygienekonzeptes konnten die Veranstalter nahezu 50 Gäste einlassen, die in Abständen zueinander das gepflegte „Rathausbräu“ zum Vortrag von Gerd-Dieter Bietz, Mitglied des Heimatkundevereins, genossen. Es ging um das ebenso interessante wie wichtige Thema „Kriegsende in Fürstenwalde – Ereignisse vor 75 Jahren“.  Eigentlich, so war es geplant, sollte der Vortag am 8. Mai stattfinden, aber durch die Epidemie hatte man den Termin absagen müssen. Und nun, nach den leichten Lockerungen und mit dem Fakt, dass man sich ja immer noch im Gedenkjahr befindet, konnte der Vortrag endlich stattfinden. Vor Beginn des Vortrags wies Gerd-Dieter Beitz darauf hin, dass er zum 70. Jahrestag dieses geschichtsträchtigen Datums, des Kriegsendes am 8. Mai 1945, als Kurator im Museum eine Ausstellung zusammengestellt hat, die von der breiten Öffentlichkeit bisher sehr gut angenommen wurde. Die Ausstellung fand zwar großen Anklang, doch die Möglichkeit, die Schulen der Region einzubeziehen und den Geschichtsunterricht ins Museum zu verlagern wurde, von keiner Schule wahrgenommen, wo doch die Geschichte der eigenen Heimat das wichtigste sei. Die Gäste, die fast alle eher den älteren Semestern angehörten, waren erstaunt, dass es von Seiten der Schulen keine Anfragen und weiteren Bemühungen gab. In seinem Vortrag schilderte Bietz, was sich in den letzten Tagen des Krieges in und um Fürstenwalde zutrug.

Zu seinem Leidwesen gibt es aus den letzten Kriegstagen nur spärliche Informationen, weil die Kriegstagebücher nicht mehr geführt wurden oder verschollen sind. Nur einzelne Bürger konnten noch Zeugnis über diese Zeit ablegen, als die Wehrmacht sich eingrub, die Stadt evakuiert wurde und die Russen vor den Toren standen und alles bombardierten, was sich bewegte. Mit Übersichtskarten der Stellungen beider Armeen untermauerte er seinen Ausführungen. Die Wehrmacht hatte zudem vieles gesprengt, was den Vormarsch der Russen auf Berlin erschwerte. Fürstenwalde gehörte, wie die Seelower Höhen, mit zum Sperr-Riegel vor Berlin und im Übrigen war das die größte Schlacht auf deutschem Boden in dem seit 1939 währenden Krieg. Bei der Bombardierung der Stadt wurde auch der Dom durch eine Artillerie-Granate getroffen. Hier scheiden sich die Geister – keiner hatte festgehalten, ob der Dom durch diese Granate zusammenfiel, wer sie abgefeuert hat und ob nicht der damit einhergehende Brand alles vernichtete. Aber anhand der Stellungskarten der Armeen, so Bietz, könnte man meinen, dass der Dom durch die Wehrmacht beschossen wurde. Zeitzeugen haben allerdings nur gesehen, dass er lichterloh brannte. Als es dem Ende zuging und die Russen sich durchsetzten, man schrieb den 22. April, war hier der Krieg zu Ende. Es wurde ein Stadtkommandant eingesetzt, der zwar kein Deutsch sprach, aber einen Übersetzer hatte und die Stadt mittels Beigeordneten für verschiedene Resorts regierte. Die Bahn, die in Lichtenberg endetet und den Nachschub der Russen in Berlin sicherstellte, wurde wegen der Gleisbreite sofort umgestellt, so der Chronist.

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In allen Stadtteilen richtete man Suppenküchen zur Versorgung der Bevölkerung ein, mit dem wenigen, was noch da war. Fleisch war so gut wie nicht vorhanden, doch zwei Kamele von einem Zirkus, der in den Kriegswirren in Fürstenwalde strandete, und drei Kühe, von denen man den Russen erklärt hatte, sie seien krank, halfen in der ersten Zeit, sich über Wasser zu halten. Wasser war das Stichwort der Zeit – Trinkwasserzufuhr und Abwasser befanden sich in prekärer Lage. Aus dem bereits angelegten Kriegsgefangenenlager konnten Handwerker für die Wiederinbetriebnahme rekrutiert werden. In den Wirren dieser Zeit kamen noch zahlreiche Flüchtlinge in die Stadt, die aus den ehemaligen deutschen Gebieten jenseits der Oder hier Zuflucht suchten oder auf der Durchreise waren. Ein provisorisches Krankenhaus wurde eingerichtet. Fast das gesamte Stadtbild glich einem Trümmerhaufen. Mit einer Ortsbegehung wurden Häuser begutachtet, die es galt, entweder wiederaufzubauen oder abzureißen. Die legendären Trümmerfrauen bauten die Stadt wieder auf – ihnen zu Ehren wurde 1965 ein Denkmal aufgestellt, es steht noch immer vor der Tourismusinformation in Fürstenwalde. Das und noch viel mehr sorgte für spannende und interessante Momente an diesem Abend und für Gesprächsstoff.

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